Freitag, 7. November 2014

Als Kilian im Aufzug stecken blieb

(diktiert von Kilian)

Wir waren groß einkaufen in der Metro. Wir fuhren mit dem Auto nach Hause. Wir haben das Auto im Innenhof nahe am Eingang geparkt, damit wir nicht so weit laufen mussten.

Dann sind wir in das Haus gegangen. Ich stand immer im Aufzug und habe die Tür mit dem Knopf aufgemacht, wenn jemand mit unseren Sachen hinein wollte. Ich habe das gemacht, weil wir nicht die Treppe benutzen wollten, weil das zu anstrengend war. Julika, Laurenz und Mama sind schon mit einer Ladung Einkauf hoch gefahren und Papa und ich sind unten geblieben, weil Papa immer die Sachen aus dem Auto geholt hat.

Julika und Mama wollten oben den Aufzug holen und Papa gleichzeitig unten. Und ich stand im Aufzug mit einer Tüte und sieben oder acht Getränken. Und dann passierte gar nichts mehr. Der Aufzug bewegte sich nicht mehr und ich stand alleine drin.

Papa hat gerufen: „Siehst du den Knopf mit der Klingel?“ Aber ich bin zu klein und kam nicht ran. Dann hat Papa Verstärkung geholt. Er ist zum Parkwächter gegangen. Der Parkwächter kam mit Papa ins Haus und Papa hat ihm erklärt, dass ich im Aufzug stecke. Ich habe auch aus dem Aufzug den Papa gerufen, damit der Parkwächter wusste, dass ich im Aufzug stecke.

Und dann hat der Parkwächter jemand angerufen. Dann ist nochmal Verstärkung gekommen. Eine Frau. Die konnte zum Glück Englisch. Der Papa hat gesagt, dass ich im Aufzug stecke. Die Frau ging nach oben und hat wahrscheinlich den Aufzug aus- und wieder eingeschaltet. Wir wissen es aber nicht genau. Aber das Licht im Aufzug ging aus.


Dann habe ich probiert, die Tür aufzumachen. Und es ging plötzlich wieder. Die Tür ging auf und Papa stand davor. Dann sind wir aber die Treppe hoch gelaufen!   

Sonntag, 2. November 2014

Kommt die Zahnfee auch nach Russland? Und wenn ja, wie?

Als Julika mir vor kurzem erzählte, ihr Milcheckzahn wackele, wollte ich es erst nicht glauben. Aber natürlich hatte sie Recht. Also gut, Zahn 63 wackelte. Und er wackelte, weil er Platz machen musste, nicht für den bleibenden Eckzahn, sondern für den zweiten Schneidezahn. Aber aufgrund der beengten Platzverhältnisse in Julikas Mund, musste eben der Milcheckzahn weichen.


Noch sieht alles gut aus...

Oh je... Wackelzahn
Als er dann am 14. Oktober ausfiel, kamen für Julika wichtige Fragen auf: Kommt die Zahnfee auch nach Russland? Kennen russische Kinder die Zahnfee? Oder weiß die Zahnfee, dass es deutsche Kinder in Russland gibt? Und wie kommt die Zahnfee nach Russland? Mit dem Flugzeug oder fliegt sie selbst? Woher weiß sie unsere neue Adresse?

Fragen über Fragen, aber Julika war zuversichtlich, dass die Zahnfee kommen und ein kleines Geschenk unter ihr Kopfkissen legen würde.

Aber die Zahnfee hat sich Zeit gelassen. Sie kam nicht in der ersten Nacht, auch nicht in der zweiten und dritten Nacht. Ob sie sich verflogen hatte oder unsere Adresse nicht wusste, werden wir wahrscheinlich nie herausfinden. Vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass unsere Kartons aus Deutschland noch nicht bei uns waren?

Als die Zahnfee nach der ersten Nacht nicht gekommen war, war Julika schwer enttäuscht. Nachdem sie die zweite Nacht auf einer harten Steinschatulle geschlafen hatte, in der sich der Zahn zur Aufbewahrung befand, und wieder keine Zahnfee zu Besuch da gewesen war, hat sich Julika ernsthaft Sorgen gemacht. Wieso kommt sie nicht? Was, wenn sie gar nicht kommt? Wenn sie uns nicht findet?

Und dann passierte das Unglück. Der ausgefallene Zahn stürzte unglücklich ab und brach entzwei. Jetzt waren die Sorgen noch größer. Würde die Zahnfee einen auseinander gebrochenen Zahn überhaupt erkennen und – viel wichtiger - akzeptieren? Es war eine Misere.

Julika schrieb darauf hin der Zahnfee einen sehr süßen Brief, in dem sie erklärte, was mit dem Zahn passiert war und, dass sie hoffte, die Zahnfee würde trotzdem kommen. Aber auch in dieser Nacht kam sie nicht. Es war zum Heulen. Julika war über das Stadium der Enttäuschung schon hinweg und resignierte: „Sie kommt ja doch nicht.“

Aber dann, endlich, in der folgenden Nacht musste das zarte Feenwesen einen Weg zu uns gefunden haben, denn Julika fand am Morgen ein kleines Geschenk unter ihrem Kissen und alles war gut. Der Zahn war noch in der Steinschatulle, der Brief war weg, und ein kleiner, süß bedruckter Schreibblock war zurück geblieben. Der Glaube an das Gute hatte gewonnen.



Der neue Schreibblock

Und ich werde einfach öfter mal im 40-Rubel-Shop1 vorbei schauen.


Und hier ist schon der neue Zahn zu sehen...



1Äquivalent zum deutschen 1-Euro-Shop.   

Sonntag, 12. Oktober 2014

Die endgültige Wohnung (geschrieben von Julika)

Endlich fanden wir eine endgültige Wohnung ("und zwar die mit dem Globus", Zitat Kilian). Sie ist schön, aber leider war so viel altes und zerbrechliches Zeug drin. Dieses unnütze Zeug haben wir rausnehmen lassen, bis auf ein paar kleine Sachen. Aber jeder übersieht das. 

Dann haben wir auch die Couch in Kilians Zimmer rausnehmen lassen. Dafür hat er ein Hochbett gekriegt. An dem Hochbett sind ganz viele Aufkleber dran und unten sind Planeten- und Sternenaufkleber, die in der Nacht leuchten können. Unten im Bett sind Schubladen und es gibt eine Leiter, leider keine Rutsche oder Seil. Aber wir sind damit zufrieden. Laurenz ist die Leiter alleine hoch, aber dann hat Kilian uns schnell gerufen. 


Die Leuchtplaneten
In meinem Zimmer ist ein CD-Player und ein Fernseher. Nur leider wissen wir nicht, wie er funktioniert. Ich habe einen Schreibtisch und zu dem Schreibtisch geht es eine kleine Stufe hoch und davor ist ein blauer Vorhang. Ich habe Raffrollos und Mama wusste am Anfang nicht wie sie funktionieren, aber ich wusste es. Und es gibt einen schönen, großen Spiegelschrank und einen Kuschelsessel. 


Das ist mein Zimmer





Im Bad gibt es eine Badewanne, die man auch als Dusche benutzen kann. Und es gibt eine kleine, schräge Seite, an der Kili und ich immer runter rutschen. Das ist für uns wie eine Wasserrutsche. Im Arbeitszimmer hängt ein Bild von Moskau, in der der Kreml eingeschnitzt ist. 

Und im Arbeitszimmer gibt es eine kleine, gut versteckte Schublade, in der zwei Goldringe sind und zwei silberne Flaschenöffner. 

Die endgültige Wohnung (geschrieben von Kilian)

Wir sind schon in der endgültigen Wohnung. Sie ist schön. In der Küche gibt es Stühle, die so knarzen wie Chewbacca. 
Und ich habe ein schönes Hochbett, in dem Laurenz und ich drin schlafen. Es sieht aus wie ein Piratenschiff. Oben ist ein Steuerrad, das man drehen kann und es hat zwei Bullaugen. 

mein neues Hochbett












Ich habe einen großen Schrank mit vier Schubladen und einen großen Schreibtisch mit einem Globus und einem Drucker. Aber leider muss ich ihn gegen den Schreibtisch im Arbeitszimmer tauschen. 

Draußen im Hof haben wir ganz viele Legoteile gefunden, die wir mitgenommen haben und bald mit ihnen bauen werden. 

Die erste vorläufige Wohnung war nicht schön. In der zweiten vorläufigen Wohnung haben wir leider meinen Fischi verloren, der ein Hotwheel ist und kein echter Fisch. 

Wir haben viele Spiegel in der endgültigen Wohnung. Ein paar sind im Flur und ein paar in den Zimmern. Und ich baue immer Flugzeuge oder coole Raumschiffe aus Lego. 






Der Herbst ist gekommen

Auch hier in Samara wird es allmählich Herbst.


Bis vor kurzem hatten wir noch strahlend schönes Spätsommerwetter, teilweise mit Temperaturen um die 20 - 25 Grad. Das war sehr angenehm und wir haben die Sonne sehr genossen, denn der Sommer in Deutschland war ja nun nicht wirklich toll gewesen.



Aber seit ca. 2 Wochen merkt man, wie  die Temperaturen deutlich sinken und die Tage kürzer werden. Früh ist es bereits ziemlich kalt und wir ziehen uns alle im Zwiebellook an. Kilian hat zwei Strickjacken übereinander an, die Kinder gehen nicht mehr ohne Schal und Mütze außer Haus, denn sonst lassen die Erzieherinnen in der Vorschule Kilian nicht in den Garten. Das ist auch eine Eigenart der Russen: im August liefen alle Kinder noch in Sommerkleidung herum, ab September hatten alle Kinder die Wollmützen auf - ganz egal, welche Temperatur es draußen hatte, also auch bei +20 Grad. Und jetzt im Oktober haben alle Kinder bereits die Schneeanzüge an, komplementiert mit Strickschal, Mütze und Handschuhen.



Neulich bin ich mit Laurenz auf dem Arm von der Vorschule zum Auto gelaufen, eine Strecke von vielleicht 20 Metern. Laurenz hatte eine Mütze auf und eine Jacke an, die aber nicht geschlossen war. An der Straßenecke sprach mich eine Frau an und zupfte an Laurenz Jacke herum, offensichtlich besorgt um das Wohl des armen Kindes mit solch einer Rabenmutter.


Blick aus unserer Wohnung auf die Wolga


Zwiebellook ist zwar praktisch, aber wir hoffen dennoch, dass der Container mit unserer Kleidung bald kommt.  EIGENTLICH sollte er schon da sein. Ja, eigentlich...  Alex hatte die Rückmeldung von der Spedition, dass unsere Sachen gemeinsam mit denen der Kollegen unterwegs seien. Aber als der LKW dann entladen wurde, stellten sie fest, dass gar kein Platz für unsere Sachen war und sie deshalb nicht dabei waren. Richtig! Sie stellten es fest, als der Container schon hier war! Grrrrrr!

"Dear Mr. Pauser,



Unfortunately when the truck arrived to warehouse it turned out that there is no enough space for the shipment. We need to wait for the next truck from Germany to Russia.

I will let you know once we have new dates of arrival."




Letzter Stand der Dinge war folgender: 


"Es freut mich Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir Ihr Umzugsgut am Donnerstag den 09. Oktober bei uns am Lager in den LKW nach Russland verladen werden.


Nach erfolgter Exportverzollung am Freitag dem 10. Oktober soll der LKW noch vor dem Wochenende seine Reise nach Moskau antreten.
Der LKW wird dann ungefähr Ende der Kalenderwoche 42 in Moskau eintreffen und die Verzollung dort ist für den 20./21.10.2014 geplant.
Anschließend wird der Weitertransport nach Samara eingeplant und wir werden alles daran setzen das Ihr Umzugsgut wie von Ihnen gewünscht am Donnerstag, den 23.10.2014 zugestellt wird."

Nun ja, es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn der Umzug auf Anhieb geklappt hätte. 

Herbststimmung an der Wolga
Gestern Nacht hat es geregnet und heute morgen lag dicker Nebel über der Stadt, so dass wir von unserm Fenster aus nicht mal die Wolga erkennen konnten. Ich hoffe, dass der richtige Temperatursturz erst passiert, wenn wir unsere Kleidung haben. Brrrrrr!

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Julikas (zweiter) erster Schultag

Julikas (zweiter) erster Schultag













Gleich nach dem ersten Wochenende nach unserer Ankunft holte uns der Alltag ein. Am ersten September begann für Julika die Schule, für Kilian die Vorschule und für Alex die Arbeit.

Erstklassfeier auf dem Schulhof
Kilian sollte um 08.15h in der Vorschule sein, Julikas Einschulungsfeier begann um 08.45h am Hauptgebäude des Gymnasiums #3. (Die Vorschule ist ein „Ableger“ dieses Gymnasiums und befindet sich in einer anderen Straße.) Gemeinsam gaben wir Kilian in der Vorschule ab, wo wir ihn dann alleine lassen mussten. Alex machte sich auf den Weg zur Arbeit und Julika, Laurenz und ich gingen zur Schule. Dort fand auf dem Pausenhof eine große Feier statt mit Gesang, Tanz und Reden. Julika stand etwas verloren zwischen all den russischen Kindern, hat aber immer tapfer gelächelt, wenn sie mich sah.


Julika auf dem Pausenhof mit ihrer Klassenlehrerin



Etwas verloren zwischen all den russischen Kindern. 


Nach dem offiziellen Teil gingen alle Grundschüler mit ihren Eltern in das Vorschulgebäude, in dem sich auch die ersten Klassen befinden. Dort durften die Erstklässler in den Klassenzimmern Platz nehmen, bekamen ihre Bücher und hatten auch schon ein paar Minuten Unterricht. Damit war der offizielle Teil bereits beendet und für Julika war Schluss. Ein aufregender Tag für sie! 

Im Schulgebäude


Im Klassenzimmer


Am Nachmittag an der Wolga
Am Nachmittag gab es für alle Erstklässler noch eine hochoffizielle Feier an der Wolga, an der auch der Gouverneur der Region Samara teilnahm und allen Schüler ein kleines Geschenk überreichte. Auch hier gab es wieder Gesang, Tanz und Reden. Der erste September ist ein wirklich wichtiger Tag in Russland.






Julikas neuer Freund, Maxim
Spektakel, Spektakel...

Julikas Klasse 1B (sprich "1 Wä", dritter Buchstabe im kyrillischen Alphabet) 



Für Kilian allerdings auch, denn er war ja ganz alleine geblieben und musste sich irgendwie durchschlagen. Die folgenden zwei Wochen waren für ihn dann auch sehr hart, denn er verstand kein Wort Russisch und blockte sofort ab, wenn die Erzieherinnen ihn auch nur irgendwie ansprachen. Es war auch für mich sehr schwer früh am Morgen einen weinenden Kilian zurückzulassen.

Von Seiten der Schule haben wir nur wenig Unterstützung erfahren. Die Erzieherinnen und Lehrerinnen sind zwar alle sehr nett, aber eine Verständigung zwischen uns war und ist eigentlich nicht möglich, da wir kein Russisch und sie kein Englisch, geschweige denn Deutsch können. So erhielt Julika in den ersten Wochen regelmäßig Französischunterricht, obwohl wir dreimal explizit erklärt hatten, dass wir das nicht möchten und statt dessen lieber Russischunterricht hätten, damit die Kinder sich möglichst schnell einleben könnten.

Es gab auch noch so einige andere Startschwierigkeiten, wie z.B. Julikas Stundenplan. Am Anfang wurde uns erklärt, dass der Stundenplan noch nicht stehe und es deshalb für jeden Tag einen neuen gäbe. Das heisst, dass jeden Tag, wenn ich Julika von der Schule abholte, ein neuer Stundenplan am schwarzen Brett hing. Und ob der dann für den Folgetag tatsächlich zutreffen würde, war ungewiss. Das bedeutete auch für mich, dass ich erstmal nicht unterrichten würde, weil einfach keine Stunden dafür eingerechnet waren. (Ich muss dazu sagen, dass ich im Juli eine E-Mail der Direktorin erhielt, mit der Anfrage, den deutschen Kindern Deutschunterricht zu erteilen.) Nach zwei Wochen wurde uns gesagt, dass der Stundenplan jetzt fix sei und wann ich mir vorstellen könne zu unterrichten. Ich sagte der Direktorin, dass ich Julika (meine einzige Schülerin in Klasse 2) gerne 4 Stunden pro Woche unterrichten möchte. Darauf hin tat sich eine ganze Zeit lang nichts und jetzt, in der 5. Schulwoche, hat Julika endlich einen Stundenplan. Aber ich bin mir sicher, dass der bestimmt nochmal geändert wird. ;-) Vom Deutschunterricht ist seit dieser Zeit keine Rede mehr und deshalb unterrichte ich Julika nachmittags zu Hause.
Die ersten Wochen waren auf alle Fälle sehr spannend für uns alle. Da ich eigentlich nie wusste, was Julika am nächsten Tag für Fächer hat, habe ich ihr einfach immer alle Bücher eingepackt. Ab und zu Sportkleidung und manchmal den Malkasten. Glücklicherweise hat Julika einen Jungen in ihrer Klasse, der zweisprachig aufwächst – deutsch und russisch. Er hilft Julika während des Unterrichts und somit ist es für sie schon etwas einfacher. In Kilians Vorschule sind noch zwei weitere „BOSCH-Kinder“,die Deutsch und Russisch sprechen, und Kilian geht inzwischen relativ gerne dorthin, wenn auch nicht mit Begeisterung.

Aber es wird sicher besser mit der Zeit. Mittlerweile kommen die Kinder von der Schule nach Hause und erzählen mir ganz stolz, welche russischen Wörter sie gelernt haben. Bald werden sie besser sprechen als Alex und ich, denn wir haben bis dato leider auch noch keinen Unterricht.  




Weitere Eindrücke von Julikas (zweitem) ersten Schultag: 






Kilian im Baum





Mittwoch, 17. September 2014

Über die Wohnung und die Fahrweise der Russen (2)

(2) Die Fahrweise der Russen


Gleich mal vorne weg: wer in Samara Auto fahren möchte, darf keinesfalls ängstlich sein, denn dann ist es besser gleich das Auto stehen zu lassen. Wer zögerlich fährt, hat auch verloren. Nur wer sich durchsetzen kann, kommt auch ans Ziel!

Die ersten zwei Tage habe ich erstmal Alex fahren lassen und den Straßenverkehr beobachtet. Das war schon als Beifahrer spannend genug. Aber nur wer selbst fährt, weiß Bescheid. Es ist einfach unglaublich und fast unbeschreiblich! Die Russen fahren nach dem Motto: Es geht immer noch etwas. 
An einem ganz normalen Werktag auf einer Kreuzung...
Hier einige Beispiele: Die wichtigen Straßen in der Stadt sind meist zweispurig, öfters auch dreispurig. Das heißt aber nicht, dass man nicht zusätzlich (mindestens) noch eine Spur eröffnen könnte. Wo sich auch nur die kleinste Lücke auftut, wird diese genutzt um den vermeintlichen Vorsprung auszunutzen. Also, bloß keinen zu großen Abstand halten. 
Außerdem sollte man wissen, auf welcher Spur man sich einordnet. Ist die Straße dreispurig und man will gerade aus, dann immer auf der mittleren Spur bleiben. Wer es gerne etwas riskanter möchte, kann natürlich auch von Spur zu Spur wechseln, je nachdem wo sich eine Lücke auftut (s. oben) und je nachdem wie groß das Auto ist!
Möchte man rechts abbiegen, dann bitte, wenn möglich, auf der rechten Spur einordnen. Das ist aber nicht so einfach, weil die rechte Spur oft als Standstreifen, bzw als "Parkspur" verwendet wird. Stellt euch mal vor, ich stelle mein Auto am Berliner Ring auf dem rechten Fahrbahnstreifen ab, gehe dann zur Arbeit und komme abends wieder. Und dieses "Parken" ist absolut üblich. Falls rechts nichts mehr frei ist, kann man es vielleicht auch noch links versuchen. 
Links abbiegen ist wirklich nicht einfach, denn so etwas wie einen Grünpfeil für die Linksabbieger, gerade auf extrem befahrenen Straßen, habe ich noch nicht entdeckt. Das wiederum bedeutet, dass man bei grün in die Kreuzung einfährt so weit es geht, dann tastet man sich ein Stück weiter vor, denn da war ja gerade eine Lücke, dann noch ein Stück, so dass der Gegenverkehr jetzt bereits ausweichen muss, und dann kommt da wieder eine Lücke... jaaaa diese Lücke muss ich nutzen, denn mein Hintermann hupt mich bereits an. Also, Augen zu und über die Kreuzung. (Das mit "Augen zu" ist allerdings nur bildlich gemeint!) 
Das klingt jetzt vielleicht nicht so schlimm, aber man muss noch dazu sagen, dass auf den Hauptverkehrsstraßen ja auch noch die Straßenbahnen fahren. Und zwar grundsätzlich in der Mitte der Straße, sozusagen als Trennung zwischen den Fahrbahnen fungierend. Und sie halten auch in der Mitte der Straße und die Fahrgäste strömen aus der Bahn auf die Fahrbahn, denn einen Bahnsteig gibt es nicht. Man wartet in der Mitte der Straße auf die Straßenbahn, also neben den Gleisen und zwischen den Fahrbahnen. Und noch etwas, die Weichen für die Straßenbahn werden von Hand umgestellt. Das bedeutet, dass die Straßenbahnfahrerinnen (meist sind es Frauen!) vor einer Kreuzung anhalten, aussteigen, einen Metallstab in die Weiche stecken und sie so umstellen. Auf den Gleisen zu fahren ist übrigens auch nichts Ungewöhnliches. Und es ist auch kein Problem, der Straßenbahn die Vorfahrt zu nehmen. Dann muss halt das öffentliche Verkehrsmittel warten, Hauptsache ich bin über die Kreuzung. Die Aussage "Fahren wie auf Schienen" gewinnt hier eine ganz neue Bedeutung :-)






Dann sind da noch die Zebrastreifen, die es recht häufig gibt und die man nicht übersehen darf. Zum einen, weil die Leute die Zebrastreifen überqueren ohne auf den Verkehr zu achten. Man geht über die Straße ohne groß auf den Verkehr zu achten und ohne sein Schritttempo zu verlangsamen - oft aber muss man es erhöhen. Wie oft habe ich schon ältere Menschen gesehen, die im Laufschritt über den Zebrastreifen mussten, weil ein Auto nahte, das keine Anstalten machte, sein Tempo zu drosseln. Also das Überqueren einer sechsspurigen Fahrbahn kann durchaus abenteuerlich sein, sowohl für den Fußgänger als auch für den Autofahrer. Es gibt auch kaum Fußgängerampeln (oder Unterführungen oder Brücken), so dass man als Fußgänger wohl gezwungen ist, sich in den Verkehr zu werfen, wenn man nicht für immer auf einer Seite stehen bleiben will. 
Zebrastreifen sollte man aber auch deshalb beachten, weil hier die Regelung mit dem Parken (s. oben) nicht greift. Man darf zwar anscheinend fast überall ungestraft rechts parken, aber nicht vor einem Zebrastreifen, denn sonst wird man abgeschleppt. Tja, da sind sie wieder sehr streng, die Russen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass eigentlich alles möglich ist, dass man sich selbst seine Regeln schafft und das Wort Rücksicht existiert im Straßenverkehr definitiv nicht. 
Und abgesehen von Autos, Straßenbahnen und Fußgängern, gibt es dann noch den Zustand der Straßen. Es gibt gute Straßen und es gibt schlechte Straßen. Letztere überwiegen. (Habt ihr euch bestimmt schon gedacht, gell?) Schlaglöcher sind keine Seltenheit, viele sind tief, aber klein; einige aber so groß, dass man ausweichen sollte, wenn man keinen Achsenschaden am Auto haben möchte. (Das wird bestimmt lustig im Winter, wenn man die Schlaglöcher nicht mehr sieht.) Manchmal stehen auch mitten auf der Fahrbahn rote Plastikgebilde, die vor einem Schlagloch warnen. Wahrscheinlich gibt es nur nicht genug von den Dingern. Straßenbahnschienen zu überqueren ist auch kein Spaß, denn die ragen bis zu 10cm aus dem Asphalt heraus. Die Kinder wissen mittlerweile schon Bescheid und halten sich gut fest bei dieser holprigen Fahrt.




Über die Fahrweise der Russen ließe sich noch viel erzählen, ich habe mich in den letzten drei Wochen über viele Sachen gewundert, wie z.B. direkt vor der Ampel parken, links überholen, um dann vor mir rechts abzubiegen (das geht übrigens auch anders herum), abrupt rechts ran fahren und anhalten, um zu telefonieren... ich könnte euch noch einiges erzählen, denn seit dem dritten Tag fahre ich selbst Auto in dieser Stadt.  


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Blick in den Rückspiegel!

Sonntag, 14. September 2014

Über die Wohnung und die Fahrweise der Russen (1)


(1) Unsere Übergangswohnung



Als wir dann am nächsten Tag aufwachten und die Wohnung näher in Betracht nahmen, mussten wir feststellen, dass sie eigentlich gar nicht sooo gut war.


Die gemütliche Sitzecke
Unser gesamtes Geschirr

Die Schlafsofas

Blick in die Wohnung




In der Nacht zuvor waren wir einfach glücklich nach der langen Reise ein Dach über dem Kopf zu haben und in einem Bett zu schlafen. Doch halt, da war schon der erste Fehler. Richtige Betten gab es nämlich nicht in der Wohnung, sondern nur Schlafsofas. Da gibt es natürlich auch gute, aber dazu gehörten nicht unsere. Die waren dann doch schon älter und durchgelegen und eine von den beiden roch etwas seltsam. Dann mussten wir auch feststellen, dass es in der ganzen Wohnung nur 5 (in Worten: fünf) Teller gab, kein einziges Messer, nur zwei Töpfe und eine Pfanne. Dafür gab es aus einem mir nicht ersichtlichen Grund ungefähr sieben Topfdeckel. Als ich das Fenster zum Lüften öffnen wollte, bemerkte ich, dass der Griff in der Mitte abgebrochen war. Das Fenster ließ sich trotzdem öffnen, dafür aber nie mehr ganz schließen. Irgendwann stellte ich dann fest, dass alle Fenstergriffe in der Mitte abgebrochen waren. Den Grund dafür habe ich bis heute noch nicht heraus gefunden. Die Liste mit den Mängeln ließe sich noch lange fortsetzen (z.B. kein Schrank in der Wohnung und nur ein Tisch, der Esstisch, dessen Tischplatte kippte, als ich Laurenz' Stuhl daran festschrauben wollte, die Waschmaschine, die nur bei einer bestimmten Einstellung gewaschen hat, der Eingang zum Haus, das Treppenhaus, etc...) aber die Wohnung hatte auch einen großen Pluspunkt: die Lage.


An der Wolga
Direkt gegenüber, in nur 20-30 Metern Entfernung befindet sich die Wolga und eine sehr gepflegte Uferpromenade. Die haben wir auch öfters genutzt, schon alleine wegen der Kinder, die gleich bei unserem ersten Besuch bis zu den Knien in die Fluten gesprungen sind und im Sand herumgematscht haben. Das hat Spaß gemacht. Zusätzlich gibt es ca. alle 100 Meter einen Spielplatz, mal in besserem, mal in schlechterem Zustand, aber das ist den Kindern egal. Zum Toben war es allemal gut. Auch Laurenz ist mittlerweile ein begeisterter Spielplatzgänger, der es liebt zu rutschen und zu wippen. Alles, was sich irgendwie bewegt, fasziniert ihn. Seine Geschwister zerren ihn auch überall mit hin und ich denke, wir sind bereits in den ersten Tagen aufgefallen, denn eine russische Mutter würde ihren Kindern so etwas nicht erlauben.





An der Wolga



Alex ist im Laufe des ersten Tages unser Leihauto abholen gegangen, während die Kinder und ich versucht haben, es uns etwas gemütlich zu machen. Da wir ja die Koffer nicht auspacken konnten, war diese Arbeit schnell erledigt, und so saßen wir denn vor dem Fernseher und haben sinnloser Weise irgendeinen russischen Kinderkanal geschaut, von dem wir natürlich kein einziges Wort verstanden haben. Die Kinder fanden es trotzdem lustig - das funktioniert sprachenübergreifend. 

Als Alex dann mit dem Leihauto (ein weißer Renault Fluence) zurück kam, sind wir zum Einkaufen gefahren um die nötigsten Dinge für die nächsten Tage zu besorgen. Einkaufen in fremden Ländern ist immer spannend und auf der Suche nach einem Supermarkt konnten wir schon etwas von Samara sehen und die Umgebung erkunden. 
Beim Einkaufen der Schuluniform
Die ersten Tagen gingen dann auch relativ schnell vorbei, sie waren angefüllt mit: Termin an Julikas und Kilians zukünftiger Schule, Einkauf, Stadt kennen lernen, Schuluniform kaufen, den Ort finden, an dem die Schuluniform verkauft wird, die Straßen und die Fahrweise der Russen kennen und akzeptieren lernen und vielen, kleinen und großen Dingen mehr. Es war sehr spannend, denn bereits nach dem Wochenende sollte Julikas und Kilians erster (Vor-)Schultag sein.